„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“ besagt ein afrikanisches Sprichwort. Ein Blick aus dem Fenster zeigt deutlich: Selbst, wenn wir es verhindern wollten – wir können den Herbst nicht überspringen. Wir können die Blätter nicht wieder an den Bäumen ankleben, die Blumen zum Blühen zwingen oder die Erde so drehen, dass die Sonne länger scheint. Es geht einfach nicht.

Die Welt hat ihre ganz eigenen Naturgesetze. Das gilt nicht nur in der Physik, sondern auch für jeden einzelnen Menschen: Jede Seele hat ihre eigene, unabänderliche Gesetzmäßigkeit, die nur ganz bedingt zu beeinflussen ist und die nicht übersprungen werden darf. Wer Entwicklungen überspringen will, unterbricht Wachstum. Bildlich gesprochen heißt das: Kurzfristig werden Bäume ausgerissen, wo aber Bäume ausgerissen werden, wachsen eben auch keine Bäume mehr nach. Wo der Wald fehlt, beginnt die Erosion.

Im Grunde gilt dieses Gesetz für jeden und für das ganze Leben. So, wie Gott die Naturgesetze geschaffen hat, so hat er auch unsere Seelenstrukturen geschaffen. Was Gott geschaffen hat, darf so sein, wie es ist und ist so, wie es ist, in Ordnung. Zugleich hat er uns das Leben geschenkt und Leben bedeutet Bewegung: Wir müssen nicht stehen bleiben, wo und so, wie wir jetzt sind. Wir dürfen, wir müssen uns entwickeln, wir dürfen, wir müssen sogar wachsen – in unserem ganz eigenen Tempo. Das bedeutet aber auch: Vor Gott ist dieses Wachsen, sich regen, suchen, herausfinden und sich entwickeln in Ordnung. Hätte er ein fertiges, perfektes Ergebnis gewollt, hätte er es so gemacht. Das Ziel der Schöpfung im Hier und Jetzt ist nicht Perfektion und endgültiges Ergebnis. Das Ziel ist Leben, Wachstum, Bewegung, in dieser Welt, mit Gott und Menschen, auf eine Erfüllung hin, die Gott uns als ein Heil, ein Ganz-Sein und Heilig-Sein ermöglichen will.

Christiane Kuropka

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