Sie erschaffen Kunst aus militärischem Abfall: Das ukrainische Künstlerehepaar Oleksandr Klymenko und Sofia Atlantova hat Ikonen auf Reste von Munitionskisten gemalt – oder wie es richtig heißt „geschrieben“. 17 dieser ungewöhnlichen Werke, die eine tausend Jahre alte Kunstform mit dem andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in Verbindung bringen, sind in den kommenden Wochen im Kirchenfoyer in Münster zu sehen. Am Mittwoch, 10. Juli, um 18 Uhr wird die Ausstellung mit einer Vernissage eröffnet. Weihbischof Dr. Stefan Zekorn wird die Ikonen bei diesem Anlass segnen.

„Es sind Bilder der Trauer, des Trostes und der Hoffnung“, beschreibt Mariya Sharko, Leiterin der Fachstelle Weltkirche und globale Zusammenarbeit im Bistum Münster, ihre Wahrnehmung der Ikonen, die als Kult- und Heiligenbilder vor allem in den ukrainischen Ostkirchen verehrt werden. „Sie tragen eine Doppeldeutigkeit in sich: Durch das Material – die Munitionskisten – stehen die Ikonen für den Tod, aber gleichzeitig symbolisieren sie das Leben und bringen die Hoffnung auf ein Leben in Frieden zum Ausdruck“, sagt Mariya Sharko, selbst gebürtige Ukrainerin. 

Oleksandr Klymenko begann 2014 als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine, Ikonen auf Munitionskisten zu „schreiben“. Die Kisten, in denen Maschinengewehre gelagert wurden, hatte er bei einem Besuch eines Freiwilligenbataillons gesehen. „Sie hatten Ähnlichkeiten zu den Holztafeln, auf denen normalerweise Ikonen entstehen“, erklärt Prof. Dr. Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik am Ökumenischen Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster. Klymenko malte die Darstellung der Muttergottes auf den Boden der Kiste, im Laufe der Jahre folgten weitere Motive, darunter Apostel und Heilige. 

Verarbeitung des Krieges

Regina Elsner kennt die beiden Künstler persönlich – und verfolgt seit längerem die Idee, die Ausstellung nach Münster zu holen. „Ich habe die Ikonen erstmals 2019 in Kiew gesehen und fand sie beeindruckend und irritierend zugleich“, erinnert sich die Wissenschaftlerin und weiß: „Oleksandr Klymenko und Sofia Atlantova verarbeiten auf diese Weise den Krieg.“ Fand das Künstlerehepaar, das in Kiew lebt, die Kisten anfangs selbst an Kriegsschauplätzen in der Ukraine, erhalten sie diese inzwischen unmittelbar von Soldaten. Bewusst verkaufen Klymenko und seine Frau ihre Kunst: Der Erlös fließt in humanitäre Projekte in der Ukraine. 

„Eine gewisse Spannung ist durch das besondere Material, auf dem die Ikonen geschrieben sind, gegeben“, haben es auch Rupert König, Leiter des Kirchenfoyers, und die Mitglieder des Kunstkreises empfunden. „Wir waren uns aber schnell einig, die Werke auszustellen, und freuen uns, als Kirchenfoyer dazu beizutragen, die Botschaft dieser Ikonen in die Stadt hineinzutragen.“ Die Ausstellung lade dazu ein, sich intensiv mit den Themen Krieg, Frieden und religiöse Identität auseinanderzusetzen. 

“Symbole des Todes werden in Zeichen des Lebens verwandelt”

Dass die Ikonen von Atlantova und Klymenko sich von anderer Kunst abheben, weiß auch Weihbischof Zekorn: „Es sind nicht einfach nur farbenfrohe Kunstwerke. In diesen Ikonen spiegelt sich die Realität des Krieges. Sie tragen die Dramatik dieses Krieges, seine Vielschichtigkeit in sich und mahnen uns, das Leid der Menschen in der Ukraine, das bis zum heutigen Tag anhält, nicht zu vergessen.“ Die Munitionskisten würden zu Ikonen, die an den Sieg des Lebens über den Tod erinnern. „So verwandelt die Ausstellung Symbole des Todes in Zeichen des Lebens und des Friedens.“

Am Dienstag, 16. Juli, um 19 Uhr lädt das Team des Kirchenfoyers zu einem Vortrag ein: Regina Elsner wird zum Thema „Ikonen als Fenster zum Krieg? Ikonen auf Munitionskisten und der Krieg in der Ukraine“. Der Eintritt ist kostenlos. Die Ausstellung im Kirchenfoyer, die am Mittwoch, 10. Juli, um 18 Uhr eröffnet wird, kann voraussichtlich bis Ende August besucht werden.

Ann-Christin Ladermann

X