Heute werden in vielen Gottesdiensten blitzsaubere Füße ein weiteres Mal gewaschen. Ein Priester wendet sich den Gläubigen zu in Erinnerung an Jesus: Bei seinem letzten Abendmahl wusch er den Jüngern die Füße, als Vorbild, damit auch sie einander die Füße waschen, d.h. damit auch sie einander in Liebe begegnen würden.
Die Füße eines anderen zu waschen – das heißt, ihn so anzunehmen, wie er gerade ist. Jemand anderem den Fuß hinzuhalten, damit er ihn wasche – das bedeutet, sich dem anderen zuzumuten: Mit dem Staub – und den Wollflusen – an den Füßen, mit dem Geruch von Füßen, im ärgsten Falle: mit Pilz, Hühneraugen, Hornhaut und Blasen. Mit all dem, was einen Fuß ausmachen kann und was wir gerne in schönen Schuhen verstecken.
Der Fuß wird heute von vielen nicht gerne gesehen – schon in der Antike war es nicht die Aufgabe der Vornehmen, die Füße anderer zu waschen: Es war ein Akt der Gastfreundschaft, der jedoch häufig von Sklaven übernommen wurde.
Wenn Jesus also Füße wäscht, bedeutet das: Wir dürfen Gast sein bei Gott und ihm unsere „Füße hinhalten“ – uns ihm unsere Seele und unseren Körper, unser Menschsein hinhalten, so, wie es ist. Wir brauchen nichts zu verstecken, nichts zu verschönern, nichts zu verheimlichen: Bei Jesus dürfen wir uns zeigen, in unserer Verwundbarkeit genauso wie in unserer Stärke, in unserer Schönheit genauso wie mit dem, was an uns hässlich ist. Dies als Vorbild zu nehmen, bedeutet jedoch auch einen Auftrag: Einander anzunehmen, so, wie wir sind, uns gegenseitig zu tolerieren und zu akzeptieren – weil Gott es so will.
Christiane Kuropka