Einfach mal daneben sein. So richtig. Nicht mal mehr zwischen den Stühlen sitzen, sondern gleich ganz außen vor sein:
ausgeschlossen, gedemütigt, verleumdet, verachtet – verstoßen.
So geht es vielen unter uns. Unerkannt leben sie: Menschen, die von ihren Familien sanktioniert wurden, für ihre Individualität: Für einen Glaubenswechsel, ihre sexuelle Orientierung, ihre Entscheidungen, sei es im beruflichen Kontext oder in Beziehungsfragen. Menschen, die eine andere Haltung, eine andere Meinung hatten als ihre Familien- oder Freundeskreise, darunter auch solche, die im Machtinteresse anderer gezielt in Verruf gebracht worden sind. Es sind Menschen, die mit einem Mal, ohne jemals selbst von ihrem vermeintlichen Vergehen zu erfahren, von heute auf Morgen „geghostet“ werden – von einem Umfeld und Menschen, die sie unter Umständen sogar jahrelang kannten.
Über solche Erfahrungen wird wenig und nur ungern gesprochen: Zu groß ist die Gefahr, dass sich der Umgang wiederholt: Der Ausschluss aus dem sozialen Umfeld, er lässt Böses ahnen: Wer ausgeschlossen wird – muss der- oder diejenige nicht auch ein Verbrecher sein? Und wem wird im Nachhinein eine unausgesprochene Schuld schließlich zugeschrieben: Dem Sanktionierten oder dem, der die soziale Sanktion veranlasst hat?
In früheren Zeiten konnte der Ausschluss aus der Gemeinschaft den sicheren Tod bedeuten – und auch heute noch reagiert das menschliche Gehirn mit der Region, in der auch physischer Schmerz wahrgenommen wird, auf den Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft, der Familie oder auf den wortlosen Abbruch von Beziehungen, die daraus folgende Einsamkeit: Sie kann als Foltermethode missbraucht werden.
Im Evangelium vom heutigen Sonntag bezieht Jesus selbst Position, und er ist parteiisch:
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen“ (Lk 6,22).
Um des Menschensohnes Willen, also um Jesu Willen, des Mensch-gewordenen Gottes: Das bedeutet, um der Wahrheit Willen. Um der Liebe Willen. Um der Gerechtigkeit Willen. Um des Guten Willen.
Gott ist auf der Seite derer, die ausgestoßen und gehasst werden, weil sie sich nicht der Lüge, dem Hass, der Ungerechtigkeit und der Schlechtigkeit gebeugt haben. Er ist es, der niemanden in dieser Erfahrung der Einsamkeit allein lässt, sondern er teilt sie mit allen, die sie erleiden – sichtbar in Jesu Einsamkeit im Garten Gethsemane und schließlich, in der Verlassenheit am Kreuz.
Für Christen ist Jesus der Lehrmeister für gelingendes Leben – beziehen wir deshalb mit ihm Position: Bleiben wir in Verbindung, „auf Tuchfühlung“, im Kontakt: Reden wir miteinander, auch wenn wir uns streiten, wenn es anstrengend wird, wenn es Kraft kostet: Ringen wir miteinander um Gemeinschaft, um des Guten Willen, um des Heiles Willen, zu dem wir alle von Gott gemeinsam berufen sind – fangen wir heute damit an!
Christiane Kuropka