Väter stehen im Christentum hoch im Kurs. Ganze 1021 Male ist von ‚Vätern‘ und ‚Vater‘ in der Bibel die Rede – selbst dem Sohn Gottes, Jesus, wird vom Evangelisten Matthäus gleich zu Beginn seiner Schrift ein ganzer Stammbaum verpasst und die gesamte väterliche Linie von Josef bis Abraham zurückverfolgt. Obwohl Josef mit der Zeugung Jesu nichts zu tun hat, der Stammbaum zeigt: Der Vater, er ist wichtig –  in vielen Kulturen wird bis heute der Platz in der Gesellschaft über ihn definiert und auch Jesus soll so nach der Vorstellung des Evangelisten eine Einordnung in diese menschlichen Orientierungsmuster finden.

Jesus selbst jedoch verweist im Evangelium auf den ‚Himmlischen Vater‘. Das Bild des Vaters, im Alten Testament auch der Mutter als Sinnbild für Gott, als eine Metapher für die Eigenschaften des göttlichen Wesens, ist von hoher Bedeutung in seinen Worten. Wie ein guter Vater, so heißt es im Evangelium, gebe Gott jedem, der ihn um etwas bitte, er behandle die Menschen wie ein Vater seine Kinder, wie ein Vater voller Barmherzigkeit und Geduld.

Für Väter wie Mütter kann dieses Bild eine Entlastung sein: Wenn letztlich Gott ‚Vater‘ und ‚Mutter‘ ist, so ist alles elterliche Tun letztlich immer in Gott aufgehoben – in allem Guten, aber auch in all seinen Fehlern und Schwächen. Wenn Gott der eigentliche ‚Vater‘, die eigentliche ‚Mutter‘ aller Menschen ist, dann reicht es, hier auf Erden den elterlichen Job so gut zu machen als möglich – von Perfektion ist nie die Rede. Es ist das Wesen Gott, das schenkt – nicht der Mensch, der alles schaffen, erreichen, bauen und meistern muss.

Zugleich macht Jesus uns mit dem bekannt, was einen guten Vater ausmacht: Es ist der hingebungsvolle, liebvolle und entgegenkommende Umgang mit den eigenen Kindern.

Vaterschaft, Mutterschaft, Elternschaft vor Gott zu leben bedeutet vor diesem Hintergrund ein Doppeltes: Loszulassen und innere Freiheit zu finden  – weil das Wesen Gott immer über jeden Menschen hinausreicht und auch jeden einzelnen Vater, jede einzelne Mutter in Händen hält – und zugleich: Zuzulassen. Zuzulassen, dass das Kind so ist, wie es gerade ist, und ihm darin liebevoll zu begegnen. Ein Vater, der liebevoll und barmherzig handelt, kann so einen Erfahrungsraum schenken, der das widerspiegelt, was Gott jedem Menschen zuspricht: Wachsen und reifen zu dürfen als die Menschen, die wir sind, frei und in dem Bewusstsein, bedingungslos geliebt zu sein – nicht festgelegt auf unsere Herkunft, sondern in dem weiten Raum, den Gott schenkt.

Eltern sein bedeutet so, an Gottes Schöpfung mitzuwirken: Nicht als die eigentlichen Schöpfer und Meister, sondern als Begleiter, die die Freiheit schenken können, zu der sie selbst berufen sind, indem sie sich selbst als geliebte Geschöpfe in der Freiheit eines ‚Gotteskindes‘ begreifen und sich darin angenommen wissen.

Christiane Kuropka

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