„Die Welt hat nicht auf Dich gewartet“…“Du bist dafür doch zu alt“…“Mach doch lieber etwas anderes…“…“Du hast keine Chance“ – dies sind Sätze, die das Gefühl vermitteln sollen: Dein Zug, der ist längst abgefahren! Ein solches Gefühl kann den inneren Motor zum Stillstand bringen und Hoffnungen sterben lassen – aber ist es realistisch, eine Reise für immer und alle Tage aufzugeben, nur weil man einen Zug verpasst hat?

Eine Abfahrt zu verpassen ist ärgerlich – und zugleich ist es ein Moment großer Freiheit. Denn was nicht mehr erreicht werden kann, muss auch nicht länger erkämpft werden – alles, was dennoch gelingt, wird zu einem großen Geschenk und macht offen für mehr. Es ist ein Aufbruch zu einer ungeahnten Reise, denn alle Zwänge sind gelöst – wer keiner Schiene folgen muss, ist flexibel. Eine sehr christliche Erfahrung, denn Christsein hat viel damit zu tun, Leben groß werden zu lassen und es nicht klein zu reden.

Das Christentum selbst wagt in Sachen Hoffnung sogar den ganz großen Wurf: Es denkt über den Tod, über den letzten Zug hinaus, der, wenn einmal mit uns abgefahren, den Deckel zu und uns Geschichte sein lässt: Wenn wir in diesen Tagen Allerheiligen und Allerseelen auf den Friedhöfen begehen, dann reicht unsere Perspektive deutlich über solche Worte und über das, was wir vom Leben zu verstehen meinen, hinaus, im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass es sogar nach dem irdischen Leben Zeit für Entwicklung gibt. Im traditionellen Sinne bedeutet das ein Denken in Himmel, Hölle und Fegefeuer – in der modernen Übersetzung bedeutet es: Das irdische Leben hat Folgen für ein Leben nach dem Tod – für ein Leben, das weiterhin in Bewegung ist. Das sich entwickelt, für dessen Gelingen hier auf der Erde sogar gebetet werden kann, da, wenn hier der Zug abgefahren ist, die Reise dort erst richtig losgeht.

Woher wir das wissen? Es gibt sie, die tiefe, innere, spirituelle Erfahrung der Gottesbegegnung – und viele Menschen, die von ihr Zeugnis geben. Jenseits aller Glaubenserfahrungen kann man auch ganz rational an die Sache herangehen und sich eine Gegenfrage stellen: Welche Botschaft lässt Sie schon heute leben? Die vom „Zu-Spät“ oder die vom „Da-geht-noch-was“? Die von: “Keiner wartet auf Dich”, oder die von: “Es wartet jemand auf Dich” – egal was andere sagen? Die vom sinnlosen Tod oder die von der Tür, die sich zu einem Mehr an Leben öffnet und uns mit denen in Beziehung bleiben lässt, die wir lieben? Welche der Botschaften lässt Sie leben – und welche sorgt dafür, dass Ihr Leben heute gelingen kann, schon jetzt?

Christiane Kuropka

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