Ein Attribut der Märtyrer, also derer, die für ihren Glauben an Gott den Tod auf sich genommen haben – ohne ihn selbst zu suchen – ist gemäß der Bildsprache des antiken Christentums die Pfauenfeder. Das Fleisch des Pfaus, so sagte man, verwese nicht. Die Legenden des Mittelalters übernahmen diesen Gedanken: In den plastisch ausgemalten Geschichten werden die Körper der Märtyrer geschunden, gefoltert und zerstört – und bleiben doch im letzten durch die wunderbare Macht Gottes unverwundbar: Gott verwandelt sie schon zu Lebzeiten, so dass jegliches kochendes Wasser für die Glaubenden nur ein warmes Bad bedeutet; ein abgeschnittenes Körperteil besteht in der Seele des Leidenden fort und wird schließlich in der himmlischen Sphäre dem Menschen unversehrt zurückgegeben.

Die Legenden transportieren in ihrer phantastischen Vorstellung ein zentrales Glaubensgut des Christentums: Die leibliche Auferstehung. Dieser Glaubensinhalt erdet die christliche Jenseitsvorstellung: Jesus, der Auferstandene, erscheint nicht einfach nur seinen Jüngern – er geht mit ihnen, spricht mit ihnen, bricht das Brot und isst mit ihnen.

Die Begegnung mit dem Auferstandenen, die heute in den Kirchen verlesen wird, ist damit eine Verkündigung des Heils: Sie bedeutet, dass Zerbrochenes, Angetastetes und Zerstörtes bei Gott in seiner Ganzheit und Schönheit bewahrt bleibt und unversehrt zurückgegeben werden kann. Dass das, was uns geschadet hat, bei Gott nicht als Schaden stehen bleiben wird. Die Heilungsgeschichten der Bibel sind eine Botschaft der Vorwegnahme, die uns zeigt: Wir sollen nicht auf das Jenseits warten. Wir dürfen im Hier und Jetzt um Gottes Zuwendung bitten, ihm unsere Wunden hinhalten und auf seinen Beistand vertrauen.

Christiane Kuropka

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