Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, so wird Jesus in gleich drei Evangelien zitiert. „Verleugne Dich selbst“ – dieser Satz ist problematisch. Was soll das heißen? Darf ich nicht ich selbst sein, obwohl mich Gott genauso geschaffen hat, wie ich eben bin? Das wäre ein Widerspruch in sich, der kaum sinnvoll sein kann. Was also ist gemeint?

Heute, am Gründonnerstag, hören wir die Geschichte über Jesus, wie er im Garten Getsemani betet, seine Jünger bittet, mit ihm zu wachen und zu warten: Auf den Verrat durch einen seiner Jünger, der ihn ausliefert, seinen Tod gegen Geld in Kauf nimmt.

Jesus macht sich auf einen schweren Weg. Er nimmt dabei eine Aufgabe an, die viel zu schwer scheint, die ihn in seinem Mensch-Sein übersteigt. Er ist traurig, hat Angst und betet, ist einsam im Kreis seiner Begleiter, die eingeschlafen sind. Zugleich beugt er sich einer Herausforderung, die viel Größeres zum Ziel hat: Ohne seine Hingabe an diesem Abend, ohne die Annahme des Weges, zu dem er bestimmt und berufen ist, kann es keine Auferstehung geben, deren Botschaft um die Welt geht. Ohne Jesu Entscheidung, auf den Verräter zu warten anstatt in einer Nacht- und Nebel-Aktion zu fliehen, sich zu verbergen, zu verstecken würde die Menschheit nie die frohe Botschaft eines Lebens über den Tod hinaus erhalten haben. Jesus wäre womöglich eines Tages im hohen Alter gemütlich entschlafen – aber von der Auferstehung, vom leeren Grab, vom Wesen Gottes, das solidarisch ist mit allen Leidenden, Trauernden, Ängstlichen, Getöteten, das niemals beim Leid stehen bleibt, sondern Leben und Heil schenkt, über alle irdische Erfahrung hinaus – von all dem wüssten wir nicht.

Es ist nicht die Verleugnung, die Jesus an diesem Abend ausmacht. Es ist die Annahme seiner Gottessohnschaft, die Akzeptanz, dass er ganz Mensch ist – voller Angst, Trauer, Einsamkeit, Panik – und zugleich ganz Gott: Der, der nicht nur seinen Jüngern, sondern allen Menschen seine Liebe offenbaren möchte.

Selbstverleugnung – sie bedeutet nicht, nicht man selbst zu sein. Sondern vielmehr, sich anzunehmen und dabei die Nachteile in Kauf zu nehmen, die genau diese Selbstannahme bedeuten kann. Es bedeutet, sich für viel mehr zu entscheiden als für einen gemütlichen, schmerzfreien, behaglichen Weg, der so verlockend, so gemütlich, so einfach und menschlich angenehm sein könnte. Es bedeutet, mit der Selbstannahme auch anzunehmen, dass es nicht leicht sein wird, diesen Weg zu gehen, der nicht aus Ausweichen, Verstecken und Flucht bestehen kann: Sondern in einer Annahme dessen, was Gott in uns geschaffen hat – so, wie wir sind, weil Er es so will und damit Großes bewirkt.

Christiane Kuropka

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