„Liebesgriffe“ – „poignées d’amour“ – so wird im Französischen liebevoll bezeichnet, was wir im Deutschen wenig romantisch mit „Hüftspeck“ oder etwas freundlicher als „Hüftgold“ bezeichnen. Während manche Menschen aus medizinischen Gründen nicht abnehmen können, völlig egal, welche Diät sie sich angedeihen lassen, so geht es der Mehrheit doch anders: Das Übergewicht greift um sich, da wir immer wieder zu dem greifen, was uns rund, zunächst ansehnlich und dann eines Tages doch krank werden lässt.
Wir wissen genau, dass uns ein „Zuviel“ an Schokolade, Braten oder Pommes zu dick werden lässt – aber wir können nicht aufhören, danach zu greifen. Manchmal ist es ein ungesunder, stressreicher Lebensstil, der dazu führt, dass wir einfach nicht die Zeit haben, um gesünder zu kochen – wir kompensieren mit schlechtem Essen, was uns an Zeit fehlt. Oder aber, es ist ähnlich einer Sucht: Mit der Schokolade, dem Bier und den Kartoffelchips kompensieren wir das, was uns seelisch fehlt: Gute Beziehungen, gute Gespräche, Freude, Wärme, ein Leben, das wir gerne leben, im Einklang mit all dem, was uns ausmacht. Immer wieder zu den Keksen zu greifen bedeutet dann, immer wieder einen kleinen Ersatz für das zu bekommen, was uns im tiefsten Innern eigentlich so unbarmherzig fehlt.
Nichts desto trotz: Wir müssen essen, denn wir sind Menschen. Gott weiß das und will, dass unser körperliches Bedürfnis gestillt ist: Heute an Fronleichnam, dem Fest des „Leib des Herrn“, wird es besonders deutlich: Wir feiern, dass wir die Eucharistie, also das Brot bei uns haben dürfen, in dem Gott selbst anwesend ist. Während die feine, weiße Oblate, die Hostie, heutzutage aus unserem normalen Essensalltag heraussticht und so auf die Besonderheit dieser Speise hindeutet, wurde ursprünglich das Brot gebrochen, das auch im Alltag die Lebensgrundlage bildete, also das Bodenständig-Materielle, was wir körperlich brauchen.
Gott aber bleibt bei dem grundsätzlichen Stillen unserer körperlichen Bedürfnisse nicht stehen: Er schenkt sich in der Hostie selbst, um unserer Seele ganz nahe zu sein mit einer fassbaren, spürbaren Gegenwart. Der katholische Glaube an die Gegenwart Gottes in der Eucharistie zeigt so auf: Es reicht nie, nur an das Materielle zu denken. Das ist für ein menschenwürdiges Leben einfach nicht genug: Menschen, die Brot bekommen, können dennoch seelisch vegetieren und verhungern. „Bread and roses“, der Slogan der streikenden Arbeiterinnen in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts bringt es auf den Punkt: Für ein menschenwürdiges Leben brauchen wir Brot, aber eben nicht nur, denn wir brauchen auch Rosen, d.h. ein gutes, lebenswertes Leben, das über Materielles hinausreicht, denn nur das wird unserer Würde als Menschen gerecht.
Was zu der Frage führt: Was wird Deiner Würde gerecht? Was brauchst Du? Was steht hinter den vielen kleinen Handlungen, sei es dem Griff zum Bier, zur Chipstüte, der Fernbedienung oder den Zigaretten, allen diesen vielen kleinen Gewohnheiten, auf die zu verzichten so schwer fällt, obwohl wir doch wissen, dass es uns schadet – und ein erfülltes Leben nie dadurch zu ersetzen ist?
Fronleichnam, Fest des Leibes Christi – dieses Fest darf uns heute daran erinnern, dass wir es wert sind, ein Leben zu führen und zu gestalten, das unserer Würde entspricht. Fangen wir heute damit an.
Christiane Kuropka