Jesus trägt die Seele Mariens als kleine, menschliche Gestalt auf seinem Arm – so wird sie dargestellt, in der christlichen Bildsprache, die Himmelfahrt Mariens, die wir am 15. dieses Monats feiern.
Viele verklärte Mariendarstellungen lassen die schicksalhaften Erfahrungen Mariens in den Hintergrund treten: Die ehelose Schwangerschaft, die einsame Geburt ihres Kindes im nächtlichen Stall, die Verfolgung ihrer Familie durch König Herodes, später die Erfahrung, dass ihr Kind Entscheidungen traf, die sie ausschlossen, und schließlich, der absolute Schmerz, das eigene Kind zu verlieren – ist das ein erstrebenswertes Leben?
Schlüsselszene zu Marias Leben ist im Evangelium das vorbehaltlose „Ja“ Mariens gegenüber dem Engel des Herrn. Wenn wir Maria als ein Vorbild sehen, dann ist sie vor allem Vorbild in einer Sache: Vertrauen. Für das Vertrauen, dass unser Leben durch Gott und durch seine Zusage an uns letztlich getragen und gehalten ist und mit allem Leid darin Sinn und Erfüllung finden kann.
Dabei geht es um kein „Ja“ zum Leid als solchem: Marias „Ja“ ist kein „Ja“ zur sozialen Ächtung alleinstehender, schwangerer Frauen. Es ist kein „Ja“ zu einer Gesellschaft, die armen Menschen Türen und Tore verschließt. Es ist kein „Ja“ zu der Brutalität eines tobenden Königs. Es ist kein „Ja“ zu den Folterern und Henkern ihres Sohnes – sondern: Es ist ein „Ja“ zu Gott! Es ist das Vertrauen in Gott, das in der Auferstehung ihren Sinn findet: Dass das Leid nicht das letzte Wort hat, sondern, dass es bei Gott eine heilsame Wirklichkeit gibt, die über dieses Leid hinauswächst und dem, was schmerzhaft erfahren worden ist, einen neuen, tieferen Sinn gibt. Gott bleibt beim Leid, beim Schmerz nicht stehen, sondern sein Plan für den Menschen ist das Heil, das Gesund-Werden, die Ganzheit.
Im Angesicht des Leides, das es gibt, könnte man dieses Wort des Monats als Hohn betrachten: Wie soll aus Ihrem, aus meinem, aus allem möglichen, teils völlig unvorstellbarem Leid etwas Gutes erwachsen? „Der Geist Gottes wird Dich überschatten“, spricht der Engel zu Maria (vgl. Lk 1,35). Der Geist Gottes – seine Gegenwart kann faktisch in unser Leben treten und uns in schwersten Stunden beistehen. Genauso jedoch sind auch wir berufen, anderen in ihrem Leid beizustehen und das Leid, das wir erleben, zum Dünger zu machen für etwas Neues, Gutes, das unser Leben und das anderer heil werden lassen kann: Es gibt mehr als eine Geschichte, in der Menschen all ihr Talent, ihre Erfahrung und ihre Persönlichkeit in die Waagschale ihres Lebens geworfen haben, um nicht im Leid stehen zu bleiben, sondern genau wegen dieses Leides neu aufzubrechen und so zu großen, guten Veränderungen für viele beigetragen haben.
Die Frage, die wir uns also stellen könnten, wäre folgende: Wo liegt mein Leid – und wie könnte ich, mit der Kraft, die ich habe, etwas Gutes daraus wachsen lassen? Wir können gewiss sein: So wie Maria von Gott getragen wird, so werden auch wir in all unserer Mühe, in unserem Leid, in unserem Wunsch, dass das Leben gut werden soll, gehalten sein.
Christiane Kuropka